Artiekl SZ vom 19. Juni 2020, 12:10 Uhr

Kirchengeschichte: Zeno, der seltsame Heilige

Ministerpräsident Markus Söder (rechts) und Wissenschaftsminister Bernd Sibler mit der Silberbüste des heiligen Zeno, die nach Nürnberg zurückgegeben wird.

 (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Bischof Zeno wird in Isen und Bad Reichenhall als Patron verehrt, sonst ist er in Bayern wenig bekannt. Eine sehenswerte Ausstellung weckt nun die Erinnerung an ihn.

Von Hans Kratzer

Vor wenigen Jahrzehnten hat sich die im Landkreis Erding gelegene Marktgemeinde Isen noch durch die Häufung eines seltenen Vornamens hervorgetan. Zeitweise hat jeder dritte männliche Einwohner auf den Namen Zeno gehört, wie sich alte Isener erinnern.

Nun aber schwindet diese Tradition dahin. Der in Bayern sehr seltene Vorname Zeno hat seine Attraktivität sogar in Isen verloren, einem Zentralort der Verehrung des gleichnamigen Heiligen. Der dortige Pfarrer Josef Kriechbaumer bewertet diese Entwicklung diplomatisch: „Der Eifer, einen Sohn Zeno zu nennen, hat deutlich nachgelassen“, sagt er. Er habe in den 13 Jahren, in denen er mittlerweile als Seelsorger in Isen wirke, zwar schon etliche alte Zenos beerdigt, aber nur einen einzigen jungen Zeno getauft. Dabei sei das doch ein schöner Name, meint Kriechbaumer. Und praktisch sei er auch, man könne ihn nicht verhunzen. Dann fällt ihm aber doch noch ein, dass das früher sehr wohl geschehen ist: Zierl sagte man zu so manchem Zeno, es ist eine Verballhornung von Zenerl, wie kleine Zenos gerufen wurden. „Heute kommt das nicht mehr vor“, sagt Kriechbaumer, „wer Zeno heißt, wird auch so genannt.“

Sankt Zeno zählt zu den seltsamsten Gestalten im bayerischen Heiligenhimmel. Ihm sind nur eine Handvoll Kirchen und Kapellen gewidmet. Neben Isen gilt Bad Reichenhall als bedeutendster Zeno-Ort, wovon aber kaum jemand Notiz nimmt. „Viele Besucher reagieren irritiert, wenn sie vor der Pfarrkirche Sankt Zeno stehen“, sagt der Stadtarchivar Johannes Lang, der über die Zeno-Tradition promoviert hat. Lang vermutet, dass es in Bad Reichenhall kaum noch Zenos gibt. Ein Blick ins Telefonbuch listet nur kirchliche Einrichtungen auf: Bücherei St. Zeno, Pfarramt St. Zeno, Kindergarten St. Zeno . . . Neulich sei ein Bub wenigstens mit zweitem Namen auf Zeno getauft worden, freut sich Lang.

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Kirchen- und Klosterareal Sankt Zeno in Bad Reichenhall.

 (Foto: Volker Preußer/imago)

Landesgeschichtlich betrachtet, steckt eine spannende Geschichte hinter dieser Figur aus der Spätantike. Zeno, der wohl aus einer afrikanischen Provinz stammte, leitete von etwa 362 bis 371 das Bistum Verona. Noch sah sich das junge Christentum in jener Zeit heidnischen Tempeln gegenüber, noch gab es Orakel und Mysterienkulte, noch hing der Kaiser am alten Götterkult, während Zeno und seinen Glaubensgenossen das Martyrium drohte. Erstaunlicherweise existieren noch 93 Predigtskizzen des Bischofs Zeno, die spannende Einblicke in das damalige Leben ermöglichen.

Zeno starb am 12. April 371 und wurde in einer kleinen Kirche nahe der Etsch bestattet. Anno 807 wurde sein Leichnam in eine neue Kirche in Verona überführt, einem Vorläuferbau der mächtigen Basilika San Zenone Maggiore aus dem 12. Jahrhundert, in der sein Leichnam heute ruht. Dass die Kirchen von Isen und Bad Reichenhall schon seit dem frühen Mittelalter jeweils ein Zeno-Patrozinium aufweisen, hängt mit der Verflechtung der frühen Bayern und der Langobarden in Oberitalien zusammen. Der aus Isen stammende Salzburger Bischof Arn pflegte zudem ein enges Verhältnis mit dem karolingischen Herrscherhaus, welches in Gestalt von Kaiser Karl dem Großen und Pippin den Zenokult in Verona förderte. Unter dem Einfluss des heiligen Korbinian wurde er auch in Bayern populär. Die Legende schildert ihn unter anderem als Fischer, der sich an der Etsch seinen Lebensunterhalt verschaffte, der einem Ertrinkenden das Leben rettete und der die Tochter des Kaisers von ihrem Dämon befreite. Dass er zum Wasserpatron wurde, liegt überdies an Papst Gregor dem Großen, der in seinen „Dialogen“ berichtet, bei einer Überschwemmung in Verona sei das Wasser an Zenos Grabeskirche bei offenen Türen wie eine Mauer stehen geblieben und nicht in die Kirche eingedrungen. Was lag also näher, als das hochwassergefährdete Reichenhaller Tal unter Zenos Obhut zu stellen. Dort waren Überschwemmungen durch den Gebirgsfluss Saalach eine latente Gefahr. Lang zitiert einen Reisebericht 1797: „Es ist ein böser Fluss, der, wenn er anschwillt, eine solche Wuth zeigt, die äußerst verheerend ist.“

So still es auch um ihn geworden ist, in diesen Tagen ist Sankt Zeno wieder in die Schlagzeilen geraten, und selbst Ministerpräsident Markus Söder hat sich mit dessen Büste ablichten lassen. Zeno ist nämlich zum Mittelpunkt einer politischen Aktion geworden. Ausgangspunkt ist eine Reliquie des heiligen Zeno, für die Propst Ladislaus von Achdorf im Jahr 1451 eine Büste nach Isen stiftete. Es ist ein künstlerisches Meisterwerk in Silber, das man dem Meister von Seeon zurechnet. Experten sagen, es habe im 15. Jahrhundert nur wenige Bildhauer gegeben, die ein derart lebensnah wirkendes Antlitz mit den typischen Locken anfertigen konnten.

Nach Angaben des ehemaligen Isener Pfarrers Robert Hlawitschka haben Isener Bürger die gut zwei Kilo schwere Skulptur in der Zeit der Säkularisation versteckt und damit gerettet. Aus Geldmangel wurde sie dann um 1890 für 3000 Mark verkauft. Der Händler hat das Kunstwerk sofort für 30 000 Mark weiterverkauft. Seit 1949 steht die Büste als Dauerleihgabe im Bayerischen Nationalmuseum in München. Nach mehr als 70 Jahren kehrt sie nun an den Eigentümer, das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, zurück. Diese Rückführung gehört zu den aktuellen Maßnahmen der Staatsregierung zur Förderung der Kultur in Franken. Bis Februar 2021 zeigt das Münchner Museum diesen Schatz ein letztes Mal in der Sonderausstellung „Silberkopf – Die Büste des heiligen Zeno aus Isen“ (Di-So 10-17 Uhr, Do bis 20 Uhr).

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